Bericht von Josefina Jimenez

Meine Kindheit war schwierig: der Schulweg war weit und unterwegs spürte ich den Hunger. Ich ging um sechs Uhr früh aus dem Haus und war um halb neun in der Schule. Um vier Uhr war die Schule aus, und um halb sieben war ich wieder zu Hause. Meine Mutter bestrafte mich manchmal, weil ich so spät kam. Früher wurde man für jede Kleinigkeit bestraft.
Zur Schule ging ich bis in die 3. Klasse. Ich half meiner Mutter, die fünf kleineren Geschwister zu hüten, weil mein Vater Trinker war und unsere Familie nicht unterhalten hat. Das ist der Grund, weshalb ich die Grundschule nicht abschließen konnte. Wir lebten erst im Haus meines Vaters, aber wegen seines Alkoholkonsums hat er das Haus verkauft. Wir hatten keine Unterkunft mehr und mussten wechselnde Bleiben suchen. Schließlich kehrte er wieder zu meiner Mutter zurück und nahm sie mit nach Siguatepeque und sonst wohin,… immer mit uns Kindern.
Mir hat es nicht gefallen, dass meine Mutter die Beziehung zu meinem Vater wieder aufgenommen hatte, denn er trank weiterhin und kam nur, um uns zu schlagen, und meine Mutter musste für uns alle arbeiten. Da habe ich zu meiner Mutter gesagt: “Wenn Du nicht endlich vom Vater weggehst, dann gehe ich! Nur Gewalt und Beschimpfungen für Dich und für uns!“ Sie schlief oft draußen und wir suchten bei einer Nachbarin Schutz, weil wir Angst vor ihm hatten.

Josefina im HauseingangIch packte also meine Sachen und ging, ohne ein Ziel. Aber Gott ist gütig, und meiner Mutter wurde bewusst, dass sie etwas tun musste. Sie holte mich zusammen mit den Geschwistern ein. Sie hatte eine Maismühle bei sich, die sie verkaufen wollte, um das Fahrtgeld zurück nach Marcala für uns auszulösen. So war das. Diese Entscheidung traf ich, um meine Mutter zu bewegen, sich von meinem Vater zu lösen. Aber sie hat einen Haufen Kinder von ihm bekommen. Ich bin meiner Mutter immer treu geblieben, denn auch sie hat uns niemals verlassen. Obwohl es so schwierig für sie mit uns Kindern war, hat sie keines weggegeben.
Ich habe mit 21 Jahren meine Familie gegründet. Damit hat sich mein Leben verändert. Es scheint, dass ich viel Glück gehabt habe, den mein Mann ist kein Trinker. Das war mein einziges Ziel: keinen Trinker!
All meinen Kindern erzähle ich meine Geschichte. Ich glaube sie sind schon gelangweilt davon, aber ich sage ihnen: „Wenn ihr eine Familie gründet, denkt erst gut nach!“ Drei sind jetzt schon aus dem Haus.
Auch in der Nachbarschaft gibt es Probleme. Ich hab ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn und weiß, dass es viele Schwierigkeiten gibt. Die Leute hier sind verschlossen und erzählen wenig von sich. Manchmal meine ich, man müsste eine Versammlung mit den Sozialarbeiterinnen von COMUCAP organisieren, damit die Leute ein bisschen mehr wissen, was sie tun können.
Mein Traum war immer, den Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, aber unser Einkommen ist zu gering. Wir haben auch versucht, Unterstützung zu bekommen, aber es ist uns niemals gelungen. Wenn COMUCAP uns mit Stipendien unterstützen könnte, das wäre gut. Seit ich organisiert bin, träume ich davon, dass eines der Kinder einen Beruf erlernen kann. Bis jetzt ist es schwierig, aber wir verlieren die Hoffnung nicht.

Landschaft PastalIch kann meinen Nachbarn hier in „Pastal“ein wenig helfen, indem ich meine Kenntnisse der ökologischen Landwirtschaft an sie weitergebe.

Wie Josefina verwenden alle Frauen bei COMUCAP organischen DüngerAlle, die in der Nähe wohnen und die Ergebnisse sehen, sind interessiert. Die Menschen weiter entfernt sind isolierter und haben kein Interesse.
Von unserer Frauengruppe erwarte ich, dass wir etwas erwirtschaften, damit die Belastungen des Familienunterhalts geringer werden. Das Problem, was wir alle haben ist, dass es kein Land für uns gibt. Wir bauen gerade mal etwas Aloe Vera auf dem bisschen Land an was wir haben. Die größte Hürde für uns ist, einen Kredit zum Landkauf zu bekommen. Mein Ziel ist es, ein zweites Stück Land zu erwerben, weil das was wir haben bis zum Rand ausgenutzt ist.
Seit ich mit meinem Mann zusammenlebe haben wir gemeinsam den Acker bestellt. Das Land, was wir bearbeiten gehört zu gleichen Teilen meinem Mann und mir. Ich fühle mich zufrieden wenn ich die ganze Familie in den Anbau einbeziehen kann. Schon die kleinen Kinder helfen bei der Ernte, beim Düngen und beim Unkraut hacken.
Mein Tagesablauf enthält ungezählte Aktivitäten. Der Tag beginnt um fünf Uhr mit dem morgendlichen Gebet, ich wasche mich draußen an der „Pila“ (großes Wasser-Sammelbecken), entfache das Feuer. Wenn ich draußen arbeite, stehe ich um drei Uhr auf. Ich wasche und mahle den Mais, mache Tortillas, bereite alles vor, dass die Kinder rechtzeitig in die Schule kommen, bereite das Essen vor, wasche Wäsche und erledige alles im Haushalt, um auf das Feld gehen zu können. Eine Tochter bleibt im Haus, kümmert sich um die Tiere und Essen. Wenn wir nachmittags wieder kommen, müssen wir uns wieder um Feuerholz, Mais und Tortillas kümmern, Geschirr waschen, Kaffee rösten.

So röstet Josefina den Kaffee für ihren eigenen BedarfUm 9 abends legen wir uns schlafen; schließlich haben wir keinen Strom. Wenn wir welchen hätten, könnten wir noch weiter arbeiten. Wir bauen ungefähr seit 22 Jahren Kaffee an. Davon leben wir.

Josefina in der FincaNeben Mais und Bohnen gehört der Kaffee hier zum Unterhalt der Familien. Es ist das einzige Produkt, was Einkommen erzielt.
Um als sechsköpfige Familie vom Kaffee leben zu können, braucht man nach meinen Berechnungen mindestens eine Manzana. Ich habe nebenbei noch Tiere und baue Gemüse an. Wir brauchen keine Bohnen oder Mais und Eier einzukaufen. Das haben wir alles. Wenn nicht, würde es sehr schwierig werden.
Wir haben auch gelernt, dass wir nicht nur Kaffee als Monokultur anbauen sollten. Die Diversifikation trägt nicht nur zu einer besseren Ernährung bei sondern sichert auch die Tiernahrung und hilft bei der Düngerbereitung. Aber dazu braucht man Land.

Eier, Gemüse, Mais und Kaffee muss Josefina nicht kaufenDer Kaffee-Anbau hat seine Risiken: Manchmal vertrocknen die Kirschen an der Pflanze. So kann man sehr großen Schaden haben. Oder der Preis ist unten.- Aber so ist diese Pflanze: sie hat ihre Höhen und Tiefen. Außerdem haben wir keine Wahl: es gibt nur dieses Vermarktungsprodukt. Wir bauen nur ein halbe “Manzana” (ca. 0,7 Hektar) an und ernten 60 Zentner Kaffeekirschen.
Die wichtigsten Arbeiten im Jahresverlauf sind die Säuberungen von Unkraut im Mai, August und November, die Düngung im Mai (Es ist nur eine Düngung im Jahr, weil wir organischen Dünger benutzen). Im November beginnt die Ernte. Manchmal dauert die Ernte bis März. Danach werden die Büsche beschnitten.
Das ist alles.
Wir haben Fortbildungen über organischen Landbau erhalten und wissen, dass Chemie schädlich für uns ist. Deshalb stellen wir selber Dünger her. Aber auch dieser Dünger hat Vor- und Nachteile: denn das erste mal ist uns ein Teil der Pflanzung eingegangen, weil der Dünger zu viel Kalk enthielt. Beim zweiten Versuch ging es besser, und jetzt ist die Finca sehr schön und nicht einmal im Sommer trocknen die Blätter.
Früher bauten die Leute Kaffee nur mit organischem Dünger an. Sie sammelten Mist und hoben Löcher aus, in die sie die Pflanzen einsetzten. Meine Familie hat eine Kaffee-Tradition. Aber alles wurde voneinander abgeschaut. Heute praktizieren wir eine Mischung aus alten Erfahrungen und erworbenem Wissen.
Unser organischer Kaffee hat eine gute Qualität. Die Zertifizierungsorganisationen kommen und kontrollieren, ob es stimmt, dass einer nur organisch düngt, ob die Finca sauber ist und kein Abfall, Plastik oder Batterien herumliegen.

Den ersten Kaffee trocknen wir auf unserem kleinen Hof. Er hat noch keine gute Qualität und ist zum eigenen Verbrauch. Er heißt „Guacuco“ (Dieser Kaffee wird mit der Schale getrocknet, hat ein starkes säuerliches Aroma und keine Export-Qualität).

Josefina beim Mahlen von KaffeeDen qualitativ besseren Kaffee verkaufen wir sofort als Kaffeekirschen. Bevor wir die Möglichkeit hatten, direkt an COMUCAP zu verkaufen und der Kaffee direkt von der Finca abgeholt wird, haben wir an irgendwelche Händler verkauft, die gerade in der Nähe vorbei kamen oder der Kaffee wurde auf Ochsenkarren in den nächsten Ort (Chinacla) gebracht und dort verkauft. Es gibt zur Erntezeit viele Leute, die daran interessiert sind, Kaffee billig aufzukaufen.

Josefina beim Kaffee AufgussHeute verkaufen wir zu einem besseren Preis. 400 Lempiras (ca. 20€) bekomme ich in diesem Jahr für den Zentner Kaffee. Ich muss schon wissen, was bezahlt wird, denn von diesem Geld leben wir. Wenn ich die Ernte übergebe, bekomme ich einen Vorschuss. Den Rest erhalte ich erst, wenn der Kaffee in Deutschland verkauft ist. Das dauert. Deshalb wird der Kaffee oft schnell, aber billig an Zwischenhändler verkauft, die sofort bezahlen.

Der Kaffee ist immer auch eine Kultur gewesen, in der sich Frauen bewähren können. Hier in der Siedlung gibt es alleinstehende Frauen, die ihren Kaffee anbauen. Es ist schwierig, das stimmt; und vor allem fehlt das Land.