2012: 5 Jahre Elisabeth Kaffee

2012: Fünf Jahre Elisabeth Kaffee – es darf gefeiert werden! Grund genug für einen Blick in die Entstehungsgeschichte unseres Partnerschaftsprojekts. Wie fing es damals an? Was waren die Beweggründe? Aber damit nicht genug! Wir wagen natürlich auch einen Ausblick auf die Zukunft des Elisabeth Kaffees! Was hat sich verändert? Wo geht die Reise hin?
Unsere engagierte Praktikantin Anja Bonzheim hat dazu Jutta Greb und Ekki Seiffert zum Interviewtermin gebeten. Beide sind schon seit Beginn der Partnerschaft mit COMUCAP aus Honduras dabei und haben viel zu berichten…

Anja: Dieses Jahr feiert der Marburger Elisabeth Kaffee sein fünfjähriges Jubiläum. Rückblick: Wie hat das alles begonnen?

Jutta: Begonnen hat das eigentlich alles damit, dass damals eine Gruppe vom Marburger Weltladen einen biologisch angebauten und fair gehandelten Kaffee als Marburger Marke anbieten wollte.
Parallel dazu bereitete sich die Stadt Marburg auf den anstehenden 800. Geburtstag der Elisabeth von Thüringen vor. In der Auseinandersetzung mit dieser historisch wichtigen Frau und ihren für die damalige Zeit sehr besonderen Lebensregeln – wie zum Beispiel das von ihr befolgte Speisegesetz, nur zu verzehren, was rechtmäßig von den Bauern erworben wurde – entstand die Idee einer Verbindung.

Anja: Ihr beiden ward ja maßgeblich an der Realisierung der Handelspartnerschaft mit der Frauenorganisation COMUCAP in Honduras beteiligt. Wie kamt ihr als Gruppe auf diese Idee?

Jutta: Ein Ziel für unsere Gruppe war, einen „Kaffee mit Gesicht“ zu schaffen, um deutlicher zu machen, wie Fairer Handel funktioniert. Von Anfang an wollten wir einen engen Kontakt zu einer Organisation oder Kooperative aufbauen, um zu zeigen, wie biologischer Kaffee angebaut wird und wie die Produktionsbedingungen ganz konkret aussehen.

Anja: Und warum gerade COMUCAP? Was macht die Organisation so besonders?

Jutta: An COMUCAP, einer Landfrauenorganisation im Hochland von Honduras, gefiel uns besonders, dass diese – soweit wir wissen – weltweit die einzige Frauenorganisation ist, die Kaffee anbaut. Das beeindruckte uns sehr und passte auch gut zu unserem Konzept „Elisabeth Kaffee“.

Anja: Und dann fuhrt ihr nach Honduras?Ekki mit Maria Jesus vor einem Kaffeestrauch

Ekki: Da wir beide zu der Zeit, als die Entscheidung für COMUCAP fiel, in Mittelamerika unterwegs waren, beschlossen wir, die Organisation in Honduras zu besuchen, um Gespräche zu führen und Fotos zu machen, mit dem Ziel hier in Marburg entsprechend gut informieren zu können.

Anja: Gab es Hindernisse bei der Einführung des Elisabeth Kaffees? Wie war der Start?

Ekki: Hindernisse gab es eigentlich nicht. Aber viel Arbeit: Man muss ja nicht nur die Organisation aussuchen, sondern Aufgaben der Gruppe waren, auch Flyer und Plakate zu entwerfen, die Verpackung auszusuchen, die Kalkulation zu machen usw. Das war alles erst mal sehr aufwendig.
Sehr gut war, dass sich schnell Patenschaften bildeten und wir städtische Unterstützung erfuhren. Der Oberbürgermeister von Marburg sowie die katholische und die evangelische Kirche übernahmen Patenschaften, auch der Oberbürgermeister von Eisenach, der Partnerstadt von Marburg, wurde Pate. So war klar, das die Aktion nicht nur von einem kleinen Weltladen kam, was dazu führte, dass der Kaffee sich schnell etablieren konnte.

Anja: Wie entwickelte sich das Projekt dann weiter?

Ekki: Grundsätzlich war das Ziel auch, den KundInnenkreis zu erweitern, also auch GroßkundInnen zu gewinnen. Es gibt größere Institutionen der öffentlichen Hand, viele Schulen im Marburger Raum, das Studentenwerk, den Kreis, die alle mittlerweile Elisabeth Kaffee trinken und sich an der Aktion beteiligten und beteiligen.

Jutta: Erwähnenswert sind auch die TouristInnen, teilweise auch aus dem Ausland, die aufgrund des Elisabethjahres nach Marburg strömten und den Kaffee als Präsent mit nach Hause nahmen und damit in die Welt hinaus trugen.

Ekki: Das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass der Verkauf nicht nur im Weltladen in Marburg oder an die GroßkundInnen stattfindet, sondern der Kaffee auch in ganz Deutschland verschickt wird. Durch viel Arbeit und viel Engagement und persönliche Kontakte ist es mittlerweile so, dass deutschlandweit Elisabeth Kaffee getrunken wird. Mit Informationsständen bei Kirchengemeinden und Institutionen konnte der Weltladen eine große Bevölkerungsgruppe ansprechen, um den Kaffee letztlich bekannt und marktfähig zu machen. Mit der Zeit haben sich dann der Kundenstamm und der Interessentenkreis vergrößert und die Abnahme ist kontinuierlich gestiegen.

Jutta: Dann kam der Gegenbesuch von COMUCAP-Frauen aus Honduras, der nur den Anfang eines nun regelmäßigen Kontaktes machte, und wir erfuhren mehr und mehr von den Lebens- und Produktionsbedingungen vor Ort.

Anja: Ihr beiden stattete COMUCAP schon mehrere Besuche ab. Was beeindruckte euch am meisten?

Jutta in Marcala

Ekki:  Mich beeindruckte vor allem sehr unser erster Besuch. Wir fuhren relativ unbedarft dorthin. Jutta war zwar schon in der Kaffeegruppe aktiv, aber dann die Frauen direkt kennen zu lernen, zu sehen, wie sie ihr Leben meistern und sich so unabhängig gemacht haben, war schon toll. Die Art, wie sie das berichteten, was sie geschafft hatten, im Stillen stolz auf das Erreichte und dabei sehr zurückhaltend zu sein.
Mir wurde klar, dass es schon etwas sehr Besonderes war, die erste Generation, von der die Mehrzahl der Frauen noch nicht mal lesen und schreiben konnte, zu erleben und jetzt – nach fast zwanzig Jahren der Gründung – zu sehen, dass ihre Kinder eine Ausbildung machen konnten, mit Computern umgehen können und alle an Selbstbewusstsein gewonnen hatten. Für mich war das sehr beeindruckend und anrührend, dass die Partnerschaft mittlerweile eine Herzensangelegenheit für mich geworden ist. Auch zu erfahren, dass nicht alles gut läuft, dass die Frauen auch viel Widerstand von der männlichen Welt in Mittelamerika und teils auch von der Politik erfahren und auch viele schmerzvolle Erfahrungen machen mussten.

Jutta: Ich fand am beeindruckendsten, dass sieben Frauen sich auf den Weg machten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und dafür zu sorgen, dass letztendlich 256 Frauen für sich so eine bessere Perspektive entwickeln konnten. Durch die Idee, dass eine partnerschaftliche Teilhabe am Leben nur entstehen kann, indem sie ein festes Einkommen haben und selbständig darüber verfügen können, was in einem Land wie Honduras etwas sehr Besonderes ist. Diese entstandene Energie finde ich sehr unterstützenswert.

Anja: Habt ihr das Gefühl, dass durch die Vermarktung des Elisabeth Kaffees in Marcala die Lebenssituation besser wurde? Was hat sich dort innerhalb der letzten fünf Jahre konkret verändert?

Jutta: Ich glaube, der Elisabeth Kaffee brachte einerseits einen intensiven Kontakt zum Marburger Weltladen, zum anderen kam es durch die Besuche dazu, dass die Frauen andere Kaffeeinstitutionen in Deutschland kennen lernen und weitere Verkaufskontakte herstellen konnten. Das führte dazu, dass COMUCAP mittlerweile viel mehr als nur einen Container im Fairen Handel vermarktet. Und ich glaube schon, dass der Elisabeth Kaffee seinen Beitrag dazu leistete, den Bekanntheitsgrad, den es zu entwickeln galt, zu erhöhen.

Ekki: Es ist schwer, das nur am Elisabeth Kaffee festzumachen, aber auf jeden Fall konnte COMUCAP durch die Mehreinnahmen weiteres Land für Kaffeefincas (Kaffeegärten) kaufen und die Produktion von 2006 bis 2012 fast verdoppeln. Außerdem gab es eine Verbesserung der Lebenssituation, also auch private Veränderungen, viele Häuser wurden ausgebaut oder sogar neue gebaut. Es gibt mittlerweile einen eigenen Lagerraum für den Kaffee, der Verarbeitungsraum wurde vergrößert und die Transportwege verringert. Auch wurde, als ganz wichtiger Punkt, durch die Mehrerträge für die Familien zunehmend eine medizinische Versorgung möglich.

Jutta: Bei COMUCAP bestehen drei Formen des Besitzes: Die Kooperative COMUCAP als Organisation kauft Land und stellt es ihren Mitgliedern zur Verfügung. Einzelne Frauen kaufen durch Kleinkredite, die sie in der Regel von COMUCAP bekommen, Land, das sie privat bewirtschaften. Oder eine Gruppe von Frauen schließt sich zusammen, um Land kollektiv zu kaufen und zu bewirtschaften. Alle drei Besitzformen erfuhren eine Ausweitung, sodass die Kaffeeproduktion insgesamt erhöht und mehr Einkommen erzielt wurde. Damit konnten die Frauen ihre persönlichen Verhältnisse verbessern: das Schulgeld für die Kinder bezahlen, Schuluniformen kaufen usw.

Anja: Fünf Jahre Elisabeth-Kaffee. Was war euer persönliches Highlight?

Ekki: Meine persönlichen Highlights waren immer die Begegnungen. Zum einen die Menschen in Honduras zu besuchen, viele offene Türen zu finden und damit an ihrem Leben teilnehmen zu dürfen. Aber natürlich waren zum anderen auch die Besuche der Frauen hier immer etwas ganz Tolles.
Da war für mich z. B. der Besuch von Heydi und Dalila am einprägsamsten, da die beiden 2009, in dem Jahr des Putsches in Honduras, hier waren. Der Optimismus, trotz der alltäglichen Bedrohung weiter zu machen, die Kraft, die sie daraus schöpften, sich in der Gemeinschaft aufgehoben zu fühlen.

Anja: Ihr beiden seid nun schon viele Jahre in der COMUCAP-Gruppe des Marburger Weltladens. Was motiviert euch, euch hierfür weiterhin zu engagieren?

Jutta: Für mich ist es nach wie vor diese Energie, die von COMUCAP als Frauenorganisation ausgeht. Dass sie unter widrigsten Bedingungen ihr Leben in die Hand nehmen und für ihre elementarsten Rechte kämpfen müssen. Für mich ist das ein Motiv, dass ich dazu beitragen will, die Frauen in ihrem Kampf an der Teilhabe am Leben zu unterstützen.

Ekki: Ein persönliches Erlebnis von Jutta und mir im Jahr 2000 in Guatemala war, dass wir einen als „Coyoten“ bezeichneten Kaffeezwischenhändler kennen lernten. Er erzählte uns, dass er versuche, so günstig wie möglich den Kaffee von den Bauern zu kaufen. Und man merkte genau, dass es ihm nur darum ging, den Preis so weit wie möglich zu drücken und die ProduzentInnen in eine Situation zu bringen, in der sie ihm den Kaffee aus der Not heraus billig verkaufen mussten, weil sie ihn sonst nicht loswurden. Durch dieses Erlebnis begann ich, im Marburger Weltladen mitzuarbeiten.

Anja: Um den Austausch zu fördern, wird es auch dieses Jahr wieder einen Besuch von zwei COMUCAP-Frauen in Marburg geben. Welche Ziele verfolgt ihr mit deren Aufenthalt in der Stadt des Elisabeth Kaffees?

Jutta: Wir wollen die fünf Jahre noch mal Revue passieren lassen und zeigen, wie eng diese KaffeestrauchPartnerschaft mittlerweile geworden ist und wo die Reise hingeht. Es ist ein „Kaffee mit Gesicht“ geworden, wir haben also unser Ziel erreicht. Das wollen wir feiern und es soll weitergehen mit Begegnungen in und um Marburg.

Ekki: Für mich ist sehr interessant, dass zwei Frauen aus zwei Generationen kommen. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr bereichernd sein könnte, auch bildungspolitische Themen aufzugreifen. Doña Edith zum Beispiel ist dabei, eine Universität in Marcala aufzubauen, das ist ein Thema, über das wir noch gar nicht viel wissen.

Anja: Wir spulen vor. Wo seht ihr das Projekt in zehn Jahren und wie steht es dann um den Elisabeth Kaffee?

Ekki: Auf jeden Fall ist Marcala Partnerstadt von Marburg geworden. Es wird Reisen der Stadt und von Kirchengemeinden nach Marcala geben und auch Gegenbesuche, also es wird auf umfassenderer Ebene ein Netzwerk persönlicher Beziehungen geben. Die Menschen verbindet mehr als nur Elisabeth Kaffee zu trinken.

Jutta: Ja und hoffentlich wird es auch unsere Gruppe nicht mehr geben müssen, weil es einfach in Deutschland ganz normal und selbstverständlich geworden ist, biologischen Fairen Kaffee zu trinken, und man sich dafür nicht mehr einsetzen muss, dass die Menschen für ein gutes Produkt einen fairen Preis bezahlen.

Anja: Danke für das interessante Gespräch!
Das Gespräch führte Anja Bonzheim, Praktikantin der Initiative Solidarische Welt e.V., mit den Mitgliedern der Elisabeth Kaffe Gruppe Jutta Greb und Ekki Seifert.