Eine Reise zu COMUCAP – eine Reise zum Kaffee
Ekki Seiffert und Jutta Greb berichten von ihrem Besuch bei der Frauenorganisation COMUCAP im Februar 2007:
Nach Marcala ins Hochland von Honduras gelangen wir von Guatemala aus über staubige Pisten, viele Schlaglöcher pflastern den Weg. Fruchtbare Landschaften mit einem satten Grün wechseln sich ab mit vertrockneten, abgeholzten, schattenlosem Land.
Und dann erreichen wir Marcala, eine lebendige Kleinstadt mit einem regen Marktleben mitten im besten Kaffeeanbaugebiet des Hochlandes.
Hier befindet sich der Sitz von COMUCAP, der „Coordinadora de mujeres campesinas de La Paz“, der Landfrauenorganisation im Bezirk La Paz.
Wir kommen gerade rechtzeitig vor Sonnenuntergang an, um gleich zu erleben, wie 8 Männer insgesamt 17500 kg Kaffee in Säcken zu je 69 kg in einen Lastwagencontainer laden, der für die GEPA in Deutschland bestimmt ist. Marlen, die Geschäftsführerin von COMUCAP und damit für die Transportabwicklung zuständig, berichtet, dass der Container aus Sicherheitsgründen bewaffnet zum Exporthafen Puerto Cortéz begleitet wird, um dann seine Reise nach Deutschland anzutreten.
Am nächsten Tag finden sich zu unserer Begrüßung neben Marlen einige Frauen von COMUCAP im Versammlungsraum des „Casa de la mujer“ zusammen und wir erfahren mehr über deren Arbeitsweise. Die Freude über den Besuch des Marburger Weltladens ist groß, denn die Frauen von COMUCAP produzieren mittlerweile mehr biologischen Kaffee, als sie über den fairen Handel absetzen können. Wir berichten von der Idee des „Elisabeth Kaffees“ und der Geschichte der Heiligen Elisabeth und die Frauen zeigen sich sehr erstaunt über die doch schon so alte Idee des Fairen Handels.
Die von uns geplanten 3 Wochen in Marcala werden gefüllt mit Terminen, Besuchen, Besichtigungen und Versammlungen, denn wir möchten alle Arbeitsbereiche kennen lernen.
Wir beginnen mit der Kaffeeernte: mit Marlen im Pick up verbringen wir viel Zeit fahrend über Stock und Stein, die Wege erinnern uns oft an ausgetrocknete Flussbetten. Auf diese Weise kommen wir auch zu den beiden socias (Mitgliedern) Bernardina und Marcelina, die mit ihren Familien in einer eher hohen Lage eigene kleine Fincas (Kaffeepflanzungen) haben.
Wir begleiten die beiden bei der Ernte, die Kinder sind natürlich dabei, entweder helfen sie schon mit oder suchen sich ein Plätzchen unter den Schattenbäumen, die Großen passen auf die Kleinen auf. Wegen des rauen Klimas in dieser hohen Anbaulage fällt die Ernte eher gering aus. Nach Ende der Tagesernte begleiten wir Marcelina zu ihrem kleinen Haus, denn hier werden die Kaffeekirschen gewogen. Sie führt ein Kaffeebuch und jedes der Kinder lässt seine Erntemenge stolz eintragen.
Wir trinken einen cafécito, natürlich von der Familie selbst geröstet, probieren das im Lehmofen gebackene Brot von Marcelina und schleppen danach die Säcke zum Wegesrand, laden diese auf den Pick up und nehmen sie mit ins Tal zur Sammelstelle.
Wie wir werden auch die Kaffeebohnen von Ort zu Ort transportiert, denn die beiden Fincas von COMUCAP mit Kaffeepflanzungen und Weiterverarbeitungseinrichtungen liegen alle recht weit auseinander: aufladen und abladen ist hier ständiges Thema und Victor, der Lastwagenfahrer von COMUCAP eine wichtige Person.
In der „Benificio“ der Weiterverarbeitungsanlage von COMUCAP auf der Finca Caracol werden die feuchten Kaffeekirschen von dem Kern getrennt; die angestellten Arbeiter warten oft bis zum frühen Abend auf den Pick up oder den Lastwagen; erst dann wird die Anlage angeworfen. Schnell wird es stockdunkel und einzelne Glühbirnen beleuchten den Ort spärlich.
Der hohe Berg aus dem Fruchtfleisch riecht erdig-feucht, gärt schon ein wenig vor sich hin und wartet auf seinen Abtransport in die Biodüngeranlage auf dem gleichen Gelände.
Die COMUCAP-Frauen haben sich landwirtschaftlich fortgebildet und gelernt, biologischen Dünger herzustellen: gemischt mit Pferdemist, Kalk und der Erde aus der „Lombricultura“, der Wurmkultur, wird dieser Dünger „abono orgánico“ von den Frauen natürlich selbst genutzt und lässt sich auch verkaufen, damit ist also eine weitere Einkommensquelle erschlossen.
Auf dem Gelände der Finca Caracol befinden sich auch die „Patios“, die betonierten Trockenflächen für die Kaffeebohnen. Hin und her gewendet mit einem Rechen trocknen so die Bohnen innerhalb von 36 Stunden.
Nach und nach lernen wir immer mehr von COMUCAP kennen: die einzelnen socias kommen auf verschiedenen der immer morgens stattfindenden Versammlungen zusammen. Marlen gibt uns abends vorab die Anfangszeiten weiter. Wir sind dann auch immer bemüht, pünktlich da zu sein, aber meist ist außer uns lediglich Marlen da, und wir lernen schnell, dass die Versammlungen einen fließenden Beginn haben, denn die Frauen haben oft schon einen langen Fußmarsch oder eine mühsame Anfahrt hinter sich gebracht, und all dies ist nicht so genau planbar. Selbstverständlich sind die kleineren ihrer vielen Kinder dabei und harren geduldig und still aus. Das von Mercedes zubereitete Mittagessen im casa de la mujer nimmt einen wichtigen Platz in der Gruppe ein.
Vieles wird besprochen und beraten, und wenn die einzelnen Frauen in ihrer zurückhaltenden Art von ihrem Platz aufstehen, um sich für uns vorzustellen bzw. ihr Anliegen vortragen, lässt sich für uns die wichtige Arbeit der „escuela conciencia“ erkennen: im Rahmen der Frauenbildungsarbeit gelernt zu haben, vor einer Gruppe frei zu reden, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu artikulieren und für deren Umsetzung einzutreten. Neben der genauso wichtigen Alphabetisierungsarbeit in den 16 regional bestehenden Basisgruppen bewirkt dies eine große Veränderung innerhalb dieser vorherrschenden patriachalen Strukturen.
Nach solchen Tagen kommen wir abends voller Eindrücke, aber auch erschöpft und staubig in unser Zimmer zurück. Zum Glück haben wir den Luxus einer warmen Dusche; mit unserer Kleidung geht es uns wie den Frauen in Marcala: wir finden uns oft am Waschplatz ein und schrubben unsere Wäsche, die am Ende eines Tages wieder genauso staubig erscheint.
Überhaupt sind die Frauen- und Männerrollen ganz klar getrennt: nachdem wir Marlen berichten, wie sehr wir das gemeinsame Kochen vermissen, stellt sie uns sofort ihre Küche zur Verfügung. Begeistert kaufen wir ein und machen uns abends für alle ans Kochen. Wir haben die Küche im Patio für uns, aber ständig recken ein paar kichernde Mädels der Familie ihre Köpfe um die Ecke, da sie nicht glauben können, dass Ekki als erwachsener Mann in der Küche werkelt und dies auch noch gerne tut. So was kennt man nicht in Marcala.
Der 8. März, der internationale Frauentag, gibt uns die Gelegenheit, den Ursprung von COMUCAP kennen zu lernen: Radio San Miguel. Hier gestaltete 1993 eine Gruppe von 7 Frauen ein Radioprogramm „Von Frauen für Frauen“, und diese gründeten dann später COMUCAP mit dem Ziel, gemeinsam für die Rechte und die Veränderung der schlechten Lebensbedingungen der Frauen und ihrer Kinder zu kämpfen.
Zum Frauentag kommen nun verschiedene Frauen aus Marcala im Sender zusammen und berichten von ihren sehr unterschiedlichen Lebens- und Arbeitssituationen. Den bedrückenden Berichten folgen jedoch immer ermutigende Aufrufe, aktiv für die Veränderung der eigenen Situation zu kämpfen und nicht passiv auf Hilfe von außen zu warten.
Mittlerweile ist die Besuchergruppe der „Alemanes“ um Andrea Fütterer erweitert worden. Sie kommt von der GEPA und hat vor vielen Jahren in Marcala für den DED (Deutscher Entwicklungsdienst) gearbeitet, kennt sich damit vor Ort bestens aus und kann uns mit vielen nützlichen Informationen rund um den Kaffee versorgen.
Mit jedem weiteren Tag, den wir in Marcala verbringen, lernen wir die nähere Umgebung besser kennen. Das Einzugsgebiet von COMUCAP umfasst 4 Gemeinden und nicht überall geht es um Kaffee. Die Finca Mescalito, eigentlich zum Kaffeeanbau kollektiv erworben, ist wegen des sehr geringen Ertrages mittlerweile eine „Horticultura“, ein organischer Gartenbaubetrieb.
Evelina, die als weitergebildete Gartenfachfrau den Garten mit anderen Frauen kollektiv betreibt, zeigt uns voller Stolz die gejäteten Beete mit kräftigen Radieschen, roter Beete, Bohnen, Salat und Möhren. Hier wächst neben dem Gemüse auch „sabila“: Aloe vera, deren Gel in einer kollektiv geführten Werkstatt zu Seife und Shampoo verarbeitet wird. Die Frauen dort können mittlerweile mehr produzieren, als sie aktuell vermarkten können und sind auf der Suche nach weiteren Absatzmöglichkeiten.
Auch das produzierte Biogemüse findet keinen angemessenen Markt, denn die Nachfrage danach ist ausgesprochen gering, das Bewusstsein und das Wissen über die biologische Landwirtschaft steckt in Honduras noch in den Kinderschuhen. Aus dieser Situation heraus betreibt COMUCAP in Marcala einen „tienda organica“, einen Laden, in dem all die Produkte der Frauen angeboten werden: neben Obst und Gemüse auch Orangen- und Brombeerwein, Honig, Aloe vera- Seife und -Shampoo und natürlich Kaffee.
Bevor dieser jedoch eingetütet in der Ladentheke auftaucht, wurde er nach dem Trocknen wieder auf den LKW geladen, um auf einem anderen Gelände durch die Schälmaschine zu rutschen; hier erfolgt auch die Qualitätsunterscheidung:
Die Bohnen mit der höchsten Qualität sind für den Export, also für unseren zarten Gaumen bestimmt und der Rest wird für den lokalen Markt zur „Tostadora“, zur Rösterei gebracht. Antonio, der Röster arbeitet hier gemeinsam mit Rosario, einer socia, an der holzbefeuerten Röstmaschine. Mit 7 Holzscheiten im Ofen werden die Bohnen 32 Minuten geröstet; dichter Rauch quillt dabei aus dem Haus. Der hier geröstete Kaffee wird für den lokalen Markt eingetütet und u.a. auch in Tegucigalpa, der Hauptstadt verkauft.
Neben all diesen vielen Terminen haben wir natürlich auch Freizeit und entdecken ganz unterschiedliche Landschaften in unmittelbarer Umgebung: Wasserfälle im dichten Grün, umrankt von dicken Lianen, laden uns zum Baden ins kalte Wasser ein. Um allerdings dahin zu kommen, müssen wir uns mit Stöcken einen Weg durchs Dickicht bahnen. Eine ganz andere Erfahrung stellt das Bad im Rio Estanzuela dar: die ganze Umgebung ist absolut verdörrt, ein ausgetrocknetes Flussbett ist unser Fahrweg, ohne Allrad geht hier gar nichts. Die Leute, die hier leben, sind sehr arm, denn hier wächst und gedeiht wenig, es gibt ein wenig Tierzucht. Und dann können wir es kaum glauben, die Wiesen werden grün und vor uns taucht ein dunkelgrüner, klarer Fluss auf, der Abkühlung verspricht.
Umgeben von vielen Kinderstimmen genießen wir unser Sonntagsbad. Ein Blick in die umgebenden kahlen Berge lässt uns die Folgen der heftigen Abholzungen dieser einst fruchtbaren Landschaft erkennen.
So langsam haben wir alle Arbeitsbereiche von COMUCAP kennengelernt. Es bleibt noch die „Escogida“ in Marcala: hier werden die für den Export bestimmten Kaffeebohnen von 40 Frauen handverlesen. Es ist eine unglaubliche Vorstellung, dass all die Bohnen der 17500 kg für den Deutschland -Container von unserem 1. Abend in Marcala vorher durch all diese Frauenhände gegangen sind.
Unsere Zeit in Marcala bei COMUCAP hat uns sehr beeindruckt. Die enorme Energie dieser Frauen, über Bildung und Einkommenserwerb für sich und ihre Familien einen geachteten Platz in der Gemeinschaft zu erkämpfen, hat uns beide oft sehr still werden lassen. Angesichts der schwierigen Voraussetzungen von Armut, Besitzlosigkeit, Kindersterblichkeit, Analphabetismus und den Gewalterfahrungen in der Familie haben sie in diesen Jahren viel erreicht und sind von 7 auf mittlerweile 256 socias angewachsen. Die Gründungsfrauen sind älter und erfahrener geworden, ihre eigenen Töchter sind mittlerweile nach erfolgreichem Schulabschluss und Ausbildung auch für COMUCAP tätig und leben nun schon ein sehr viel selbst bestimmteres Leben als ihre Mütter in diesem Alter.
Nach ihren Wünschen und der weiteren Perspektive befragt, erhoffen sich die Frauen von weiteren Absatzmöglichkeiten ihrer Produkte zu einem fairen Preis mehr Wohlstand, den sie für ihre Familie einsetzen wollen; ein Gesundheitszentrum mit einer Ärztin würde das jetzt schon umfassende Bildungs- und Beratungsangebot um ein finanziell erschwingliches Behandlungsangebot erweitern können.
Wir verlassen Marcala mit dem guten Gefühl, ein sinnvolles und nützliches Projekt mit einem großen Potential kennen gelernt zu haben und freuen uns schon sehr darauf, in Marburg von den Frauen, die die Kaffeebohnen für den Elisabeth Kaffee produzieren, zu berichten und damit einen Beitrag zu leisten, dass die Frauen von COMUCAP keine Almosen empfangen, sondern einen gerechten Preis für ihre Arbeit und ihre Produkte erhalten.