Am ersten Weihnachtstag 2012 brachen wir mit einer fünfköpfigen Gruppe zu einer Reise nach Honduras auf. Nach dem Besuch von Edith und Belkis von Comucap im Herbst 2012 waren wir natürlich sehr gespannt, was wir bei Comucap in Marcala erleben werden. Aber auch eine große Unsicherheit war dabei, denn gerade bei den letzten Besuchen von Comucap Frauen bei uns, war die Sicherheitslage in Honduras, die sich nach dem Putsch 2009 deutlich verschlechtert hatte, ein großes Thema. So war klar, dass wir nach unserer Ankunft in Honduras, keinen Bus nach Marcala nehmen werden, der erst im Dunkeln dort ankommen würde. Marlen, die Geschäftsführerin von Comucap, holte uns nachmittags vom Bus ab und teilte uns gleich mit, dass wir am nächsten Morgen im Büro von Comucap erwartet würden. Als wir dort pünktlich ankamen, waren – für uns überraschenderweise – schon viele Frauen dort. Nach freudig herzlicher Begrüßung wurde schnell klar, dass uns ein total volles Programm mit vielen Erlebnissen und persönlichen Begegnungen erwartet.
Die ersten Tage zeigten uns Marlen und Walter stolz die vielen Neuerungen bei Comucap. Walter ist Agraringenieur von Comucap und für den Kaffeebereich eingestellt.
Zunächst besuchten wir „finca caracol“, eine Gemeinschaftsplantage der Frauen. Uns wurde sofort deutlich, dass hier viel Wert auf eine Mischpflanzung mit vielen Schattenbäumen wie Bananen- oder Orangenbäumen gelegt wird. Leider sahen wir aber auch, dass einige Kaffeepflanzen von einem Pilz, der roja genannt wird, befallen sind. Walter erklärte uns, dass dies in ganz Mittelamerika ein riesiges Problem geworden sei. Begonnen hat der Pilzbefall bei konventionell angebauten Pflanzen und greift nun auch auf den biologischen Anbau über. Sie haben aber auch beobachtet, dass nicht alle Pflanzen gleich betroffen sind. So sind alte Kaffeepflanzen weniger anfällig als die hoch gezüchteten Pflanzen. Als Grund für diese rasante Pilzverbreitung wird besonders die Klimaentwicklung (Temperaturanstieg sowie veränderte Regenzeiten und -mengen) dafür verantwortlich gemacht. Nicht nur die Frauen von Comucap sehen deshalb sorgenvoll in die Zukunft.
In den letzten vier Jahren, in denen der Börsenpreis für Kaffee sehr hoch war, hat Comucap viel in den Ausbau der eigenen Kaffeeverarbeitung investiert, um in Zukunft auch unabhängiger von fremden Lohnleistungen zu sein, die sonst entsprechend bezahlt werden müssen. Wir waren sehr beeindruckt von den vielen Neuerungen. So wurde der Patio (ein Betonboden, der für die Trocknung der Bohnen genutzt wird) enorm vergrößert, damit die Bohnen schneller getrocknet werden können Außerdem ist Comucap dabei Versuche mit anderen Trocknungsmöglichkeiten, wie in einem Gewächshaus, zu machen. Denn hier geht das Trocknen schneller und die Bohnen sind nicht mehr dem Regen ausgesetzt. Um den Kaffee weniger oft transportieren zu müssen, wurden auf dem Gelände auch eine Lagerhalle und eine Weiterverarbeitungshalle gebaut. Besonders stolz zeigte uns Marlen die neue Röstmaschine. Kennen wir noch die alte holzbetriebene, die von Antonio bedient wurde, so wird hier alles elektronisch gesteuert. Dadurch kann der Kaffee immer in der gleich bleibenden Qualität geröstet werden. Da Comucap den gerösteten Kaffee auch international besonders nach Nordamerika verkaufen will, baten uns Marlen und Walther am nächsten Tag an einer Kaffeeprobe teilzunehmen, bei der es drei verschieden Kaffees von Comucap unter der Leitung eines externen Kaffeeexperten zu probieren gab. Wir kamen ihrer Bitte natürlich gerne nach und werden dieses Erlebnis sicherlich auch nicht so schnell vergessen.
So vergingen die ersten Tage wie im Flug, und wir waren schon voller Eindrücke, aber es sollte so weiter gehen…….
Dalila, die bei Comucap den Bereich der sozialen Arbeit leitet, lud uns in ihre Radiosendung ein, die immer montags für eine Stunde stattfindet. Thema war die aktuelle Situation von Gewalttätigkeiten gegen Frauen. Wir hatten eine „Marburger Erklärung“ zu diesem Thema mitgebracht, die von Elena vorgelesen wurde. Danach hatte Dalila große Freude daran, jedem von uns das Mikrofon mit der Aufforderung hin zu halten, etwas zu diesem Thema zu sagen. Trotz der Überrumpelung, glaube ich, fiel uns eine Menge dazu ein. Wie eigentlich nach jedem Treffen ging es dann zum gemeinsamen Essen in das Restaurant von Rene.
Die besonderen Höhepunkte sollten aber noch kommen:
Der Geburtstag von Edith, den sie im kleinsten Familienkreis mit ungefähr 40 Personen, von denen mindestens die Hälfte Kinder und Jugendliche waren, feierte. Uns war es eine besondere Ehre eingeladen zu sein, da noch nicht mal ihr Mann dabei war. Wir hatten schon den Verdacht ihren Mann gibt es gar nicht, aber als wir zwei Tage später zu Silvester wieder bei Edith eingeladen waren, begrüßte uns als erstes ihr Mann Christopher. Na und an diese Silvesterfeier werden wir uns sicher noch lange erinnern. Wir waren uns einig, ein so lautes haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Jugendliche und selbst Kinder haben um die Wette geknallt und es war ihnen eine besondere Freude, wenn Personen in der Nähe waren, wo die Knaller explodierten. Wir konnten es kaum mit ansehen. Höhepunkt war dann um Mitternacht das Entzünden einer Puppe. In Honduras ist es ein Brauch zum Jahreswechsel eine Puppe zu verbrennen, die das Gesicht von einer Person hat, die man im nächsten Jahr nicht mehr wiedersehen möchte. Ediths Familie hatte sich dieses Jahr den aktuellen Präsidenten ausgesucht. Wir waren irritiert über diesen Mut. Mit Knallern gefüllt ging dieses Jahr für uns mit einem doch makaberen Scherz zu Ende.
Am nächsten Morgen holte uns Christopher dann mit dem Auto ab, um uns zu Marcelina und Bernadina zu bringen, die weit außerhalb in den Bergen wohnen. Beide sind für uns ganz besondere Personen, die mit ihrem großen Garten ihre Selbstversorgung sichern und einen Teil auch noch verkaufen können. Ihre Häuser verfügen über keinen Strom, weshalb sie Licht über eine kleine mobile Solaranlage erzeugen.
Wie Bernadina unsere Hände zur Begrüßung festhält, ist schon etwas Besonderes; sehr innig und anrührend. Dann zeigte sie uns stolz ihr Zuhause. Sie hat gerade mit ihrem Mann ein Foliengewächshaus gebaut, indem sie 10.000 Jungpflanzen anziehen kann. Aber der absolute Knaller ist ihre Biogasanlage: Ihre drei Schweine versorgen ihren Herd mit Gas und zwar das ganze Jahr……beeindruckend.
Am letzten Tag in Marcala hatten sich Anja und Werner mit Belkis zur Kaffeeernte verabredet (Aufstehen um 5 Uhr morgens, puhhhh), während Jutta, Elena und ich die Grundschule „primaria de primer julio“ besuchten. Zu dieser Schule gibt es schon seit einigen Jahren einen Kontakt mit der Wollenbergschule in Wetter. Da Ferien waren trafen wir den Elternbeirat der Schule, der uns ganz stolz den neuen selbst erbauten Kindergarten zeigte, den eine Lehrerin aus dem Ort ehrenamtlich leitet. Auch das neue Dach des Speisesaals war fertig geworden. Es bietet Schutz vor Regen, da es sonst nach allen Seiten hin offen ist.
Es nahte der Abschied. Viele Umarmungen, viele geschüttelte Hände im Büro von Comucap und das Gefühl bei uns zehn Tage gemeinsam erlebt zu haben, die wir sicherlich lange in Erinnerung behalten werden…….
Jutta Greb & Ekki Seiffert